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Projektreffen am 6. September 2017
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Umfrageergebnisse zeigen Vermittlungshemmnisse auf

Ergebnisse der IST-Analyse liegen vor

Erste wissenschaftliche Ergebnisse zu Hürden der Arbeitsmarktintegration von blinden und sehbehinderten Menschen

Das Projekt AKTILA-BS – Aktivierung und Integration (langzeit-)arbeitsloser blinder und sehbehinderter Menschen wird seit dem 1. März 2017 durch das Berufsförderungswerk Würzburg, das Berufsförderungswerk Düren, das Berufsförderungswerk Halle, die Nikolauspflege – Stiftung für blinde und sehbehinderte Menschen, die Reha-Einrichtung für Blinde und Sehbehinderte der Deutschen Blindenstudienanstalt, den Deutschen Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) sowie die InterVal GmbH durchgeführt. Es hat eine Laufzeit von drei Jahren und wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales aus Mitteln des Ausgleichsfonds gefördert.

Projekt

Ausgangspunkt des Projekts ist die mangelnde Integration von blinden und sehbehinderten Menschen in den Arbeitsmarkt. Auswertungen verschiedener Datenquellen weisen darauf hin, dass blinde und sehbehinderte Menschen wie andere schwerbehinderte Menschen trotz guter Qualifikationen von besonders hoher (Langzeit-) Arbeitslosigkeit betroffen sind. Dies deckt sich mit den Erfahrungen der beteiligten Projektpartner, die selbst bei Absolventinnen und Absolventen der beruflichen Rehabilitation, die über besonders nachgefragte berufliche Qualifikationen verfügen, teils schwierige Integrationsprozesse beobachten.

Das Projekt AKTILA-BS hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, zunächst verallgemeinerbare Erkenntnisse über die Integrationsprobleme von blinden und sehbehinderten Menschen zu gewinnen. In einem zweiten Schritt sollen Möglichkeiten zur Verbesserung der Integration bei blinden und sehbehinderten (Langzeit-)Arbeitslosen entwickelt werden. Dazu sind die Entwicklung und Umsetzung eines Mentoren-Systems, die Entwicklung und Umsetzung eines individuellen Reaktivierungsangebots und die Entwicklung eines Werkzeugkastens für Leistungsträger vorgesehen.

Wissenschaftliche Begleitung

Die InterVal GmbH ist in der Rolle einer wissenschaftlichen Begleitung am Projekt beteiligt und hat in einer umfassenden wissenschaftlichen Untersuchung Erkenntnisse zu den Hürden der Arbeitsmarktintegration für blinde und sehbehinderte Menschen gewonnen. Kernbestandteile dieser Untersuchung waren

 

  • telefonische Interviews mit 194 blinden und sehbehinderten, arbeitslosen oder ehemals arbeitslosen Menschen,
  • telefonische Interviews mit 23 Mitarbeitenden von Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation für blinde und sehbehinderte Menschen
  • telefonische Interviews mit 15 Fachkräften von Arbeitsagenturen, Jobcentern und Rentenversicherungsträgern sowie
  • eine Online-Befragung von 30 Unternehmen zu ihren Erfahrungen mit blinden oder sehbehinderten Mitarbeitenden.

 

Erste Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung wurden nun in einem Zwischenbericht erfasst und werden im Nachfolgenden zusammengefasst dargestellt. Die InterVal GmbH wird das Projekt bis zu seinem Abschluss begleiten und weitere Auswertungen und Untersuchungen durchführen.

Erste Ergebnisse

Die auf die berufliche Rehabilitation von blinden und sehbehinderten Menschen spezialisierten Einrichtungen haben es von Haus aus mit vielfältigen Teilnehmendengruppen zu tun. Die an sie gestellten Anforderungen haben in den vergangenen Dekaden zugenommen: Zum einen schrumpfen klassische Tätigkeitsfelder für blinde und sehbehinderte Menschen, während  die Anforderungen des Arbeitsmarkts wachsen. Zum anderen befinden sich unter ihren Teilnehmenden immer mehr Menschen mit zusätzlichen physischen oder psychischen Einschränkungen. Die Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation arbeiten vor dem Hintergrund dieser schwierigen Ausgangsbedingungen insgesamt erfolgreich. Bereits jetzt bemühen sie sich um ein hohes Maß an individueller Beschulung und Begleitung, um der jeweiligen Behinderungsspezifik und weiteren persönlichen Charakteristika gerecht zu werden. Dennoch wird aus den Befragungsergebnissen ein Bedarf nach noch mehr Individualisierung deutlich, um sowohl die zu vermittelnden Inhalte als auch die Art der Vermittlung optimal auf die Ausgangsvoraussetzungen einzelner Rehabilitandinnen und Rehabilitanden abzustimmen.

Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass manche (langzeit-)arbeitslose blinde und sehbehinderte Menschen zusätzliche Unterstützungsleistungen benötigen, die in den gängigen Angeboten der beruflichen Rehabilitation nicht genügend Raum finden können. Aufseiten der blinden und sehbehinderten Arbeitssuchenden haben sich neben fachlichen Kompetenzen und praktischen Erfahrungen auch eine hohe Motivation und Eigeninitiative, gute personale und soziale Kompetenzen, ein selbstbewusstes und reflektiertes Auftreten, Expertise für die eigene Behinderung und für den Umgang mit Hilfsmitteln sowie eine souveräne Nutzung der Fördermöglichkeiten als zentral für die Arbeitsmarktintegration erwiesen.

Ein weiteres Problem der Arbeitsmarktintegration von blinden und sehbehinderten Menschen besteht in einer mangelnden Begleitung des Integrationsprozesses nach Abschluss der beruflichen Rehabilitation. Zum einen haben manche ehemalige Rehabilitandinnen und Rehabilitanden nicht ausreichend Rückhalt durch soziale Netzwerke, die sie bei Rückschlägen in der Zeit der Arbeitssuche auffangen könnten. Ohne entsprechende Netzwerke durch Familie, Freunde und Bekannte oder in einem Selbsthilfeverein fällt es manchen blinden und sehbehinderten Menschen schwer, die Motivation für die Arbeitssuche trotz teils zermürbender Erfahrungen aufrecht zu erhalten. Zum anderen erhalten viele Betroffene nach Abschluss einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation keine oder zu wenig fachliche Unterstützung bei der Arbeitsmarktintegration. Die Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation sind nur bis zum Ablauf der offiziellen Nachbetreuung zuständig und können selbst während dieser Zeit aufgrund mangelnder Ressourcen und teilweise großer Entfernungen zu ehemaligen Teilnehmenden, die an ihre Heimatorte zurückgekehrt sind, nur bedingt Unterstützung leisten.

Den zuständigen Vermittlungsfachkräften der Arbeitsagenturen und Jobcenter dagegen mangelt es häufig an behinderungsspezifischen Kompetenzen, oft können sie weder die jeweilige Leistungsfähigkeit noch die benötigte Unterstützung einschätzen. Bei der Vermittlung in Arbeit entsteht dadurch eine Lücke im System: Blinde und sehbehinderte Menschen werden bei ihrer Arbeitsplatzsuche häufig unzureichend begleitet, obwohl viele besonderen Unterstützungsbedarf haben. Dies betrifft beispielsweise die Kontaktaufnahme zum Arbeitgeber, die Klärung der Hilfsmittelbeschaffung und weitere Förderfragen. Auch für Arbeitgeber stehen bisher keine leicht zugänglichen Informationsquellen und Unterstützungsangebote zur Verfügung.